Ein extra Post an alle männlichen Mitglieder meiner Familie!
(der Rest darf auch gerne lesen, ist ja klar)
Wie ihr ja alle wisst, konnte ich mich zu Hause noch nie so wirklich für Fußball begeistern, obwohl ich bei uns ja die einzige echte Gladbacherin bin...
Diese Einstellung wurde hier gründlich auf den Kopf gestellt:
Um Fußball kommt man hier nämlich nicht drumherum. In Iguguno ist uns nämlich schon bei unserer Ankunft vor drei Wochen der große Fußballplatz aufgefallen, also vor allem die Tore, der Rest ist nämlich genauso rot und staubig wie der Rest hier. Geebnet hat den Platz anscheinend auch nie jemand, deswegen ist er auch ziemlich huckelig. Hier finden fast jeden Abend Spiele statt, zu denen wir auch immer eingeladen werden. Die besten Plätze zum Zugucken haben wir mittlerweile auch schon gefunden. Von dort können wir alles sehen, inklusive Sonnenuntergang, und sitzen praktisch auf der Linie, näher dran geht nicht.
Außerdem spielen von meinen 5 Brüdern mittlerweile 3 bei den "Small Boys". Donald und Fideli schon länger, Hilary erst seit ca. einer Woche. Das liegt nicht daran, dass er vorher keine Lust hatte, nein, er durfte erst eintreten, als er ein richtiger "Dorfbewohner" war. Das war er aber erst, nachdem er sein Examen an der Secondary gemacht hat. Seitdem steht er jetzt für unsere Mannschaft im Tor.
Mittlerweile habe ich mir hier schon diverse Spiele angesehen. Doch eins davon war irgendwie anders:
Angefangen hat alles ganz normal, unsere Jungs auf der einen Seite in schwarz-weißen Trikots, die Gegner auf der anderen Seite in gelben Trikots. Soweit alles ok. Die erste Halbzeit war dann auch schon recht spannend, weil beide Mannschaften eine sehr gute Figur gemacht haben, besonders natürlich Fideli und Hilary : )
In der Halbzeit haben Luise und ich uns dann an einem Stück Zuckerrohr gütlich getan. Das ist übrigens ganz schön schwer zu essen, aber ziemlich lecker und süß, was auch sonst. Pünktlich zu Beginn der zweiten Halbzeit waren wir aber soweit, dass wir gleichzeitig essen und gucken konnten. Von unseren Lieblingsplätzen am Spielfeldrand konnten wir dann auch genau verfolgen, was sich dann ca. 15 Minuten nach beginn der zweiten Halbzeit direkt vor uns abspielte:
Das ganze Spiel über hat Hilary im Tor eine super Figur abgegebn, obwohl es sein erstes Spiel war. Doch jetzt hat es tatsächlich einer der gegnerischen Spieler durch die Verteidigungslinie, angeführt von Fideli, geschafft und stürmt aufs Tor zu. Obwohl Luise und ich beide vom Zuckerrohr verklebten Daumen drücken, trifft der Ball das Tor.
Schon schwer niedergeschlagen, sehen wir plötzlich, das der Linienrichter seine Fahne in die Luft hält. Unsere Vermutung: Abseits. Und tatsächlich pfeift der Schiedsrichter. Das Tor zählt nicht. Welche Erleichterung. Für uns. Welcher Ärger für die Gelben! Sofort kommt ein ganzer Trupp von ihnen auf den Lienienrichter zugestürmt um ihm ihre Meinung mitzuteilen. Und zwar sehr lautstark! Obwohl ich noch nicht sehr viel Swahili verstehe, habe ich doch einiges mitbekommen. Besonders deutlich war, dass ein Gelber dem Linienrichter die Fahne aus der Hand reißt. Der inzwischen dazugestoßene Schiedsrichter versucht die Situation unter Kontrolle zu bringen, hat aber gegen die Wut der Spieler kaum eine Chance. Direkt vor uns spielt sich also mittlerweile eine Hin-und-Her ab, das solche Ausmaße annimmt, das wir unsere Füße lieber bei uns behalten und nicht zu weit ausstrecken, nicht das da noch einer drüber fällt. Als die Situation droht außer Kontrolle zu geraten, zieht der Schiedsrichter eine rote Karte. Das sorgt bei einigen der gelben dafür, dass sie wieder zur Besinnnung kommen und nun ihrerseits versuchen ihre Teamkameraden zu beruhigen, die in ihrer Wut durch die Karte noch bestärkt werden. Nun beginnt auch der Schiedsrichter mit dem Linienrichter zu diskutieren, keiner kann mehr sagen, was gewesen ist. Ein Krimi beginnt. Wir können uns nicht vorstellen, dass der Schiedsrichter das Tor doch zählen lässt. Da werden auf einmal unsere Jungs sauer und beginnen nun ihrerseits auf die Verantwortlichen einzureden. Wir sind verwirrt. Zählt das Tor nun oder nicht. Das bedarf einer ausführlichen Beratung. Also bewegen sich die Gelben, die Schwarz-weißen und die beiden Unparteiischen begeben sich zum anderen Spielfeldrand, wo sich anscheinend die Zentrale befindet. Doch auch von dort hören wir immer noch laute Rufe und so ganz beruhigt haben sich auch noch nicht alle.
Eine lange Diskussion beginnt. Gespannt sitzen wir am Rand und warten auf ein Ergebnis. Natürlich hoffen wir, das Abseits wird anerkannt und das Tor zählt nicht. Nach einer Viertelstunde kehren beide Mannschaften zurück auf den Platz. Die "Small Boys" offensichtlich recht zufrieden mit der Situation. Erleichtert stellen wir daran fast: Das Tor wird nicht gezählt. Zufrieden freuen wir uns auf einen bestimmt spannenden Rest des Spiels, doch es ist noch nicht vorbei!
Anstoß für die "Small Boys". Während sie voller Motivation ihre Positionen schon wieder eingenommen haben, tummeln sich die Gelben immer noch ziemlich planlos in ihrer Hälfte. Auch als der Schiedsrichter das Spiel wieder anpfeift und die "Small Boys" mit dem Ball Richtung gegnerisches Tor laufen, zeigen sie keine Gegenwehr. Stattdessen passiert etwas völlig unerwartetes. Eins nach dem anderen sinken die gelben Trikots Richtung Boden. Die Spieler, die sie tragen, setzten sich einfach mitten auf dem Platz in den Staub.
Sowas hab ich noch nicht gesehen. Innerhalb einer Minute sitzt das komplette gegnerische Team auf dem Boden und streikt! Jetzt sind Luise und ich als relativ unerfahrene Zuschauer erst recht verwirrt. Darf man sowas überhaupt, einen Sitzstreik beim Fußball. An den Gesichtern der anderen Zuschauer können wir ablesen, dass das alles andere als normal ist.Was sich weiter abspielt bekommen wir leider nicht so richtig mit. Das nächste was wir sehen, ist, dass die Gelben Flick-Flacks und Saltos schlagend den Platz verlassen, wohingegen unsere Mannschaft aussieht, wie eine Herde begossener Pudel.
Sollten die Gelben sich etwa den Sieg erstreikt haben?
Nein, das geht doch nicht. Aber alles deutet darauf hin. Komisch!
Als unsere Brüder dann wieder zu uns stoßen, teilen sie uns anscheinend tiefbetrübt mit, dass sie gewonnen haben. Drüber freuen tun sie sich aber offensichtlich nicht. Immerhin hat man ihnen fast eine ganze Halbzeit geklaut.
Naja, das war unser bisher einprägsamstes Fußballerlebniss.
Wir warten gespannt, was da noch kommt, lange genug sind wir ja noch hier. Ich werde berichten!
Das Beweisfoto findet ihr übrigens im Fotostream weiter unten auf der Seite.
Warum hat mir bloß vorher keiner erzählt, dass es bei einem Match so spannend sein kann?!
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